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Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) bei krankheitsbedingter Kündigung

Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) bei krankheitsbedingter Kündigung

Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) hat eine entscheidende Bedeutung für einen Kündigungsschutzprozess.

In dem vom Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 15.12.2022 – 2 AZR 162/22) behandelten Fall ging es um eine Klägerin, die seit dem Jahr 1999 bei der Beklagten beschäftigt und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist. Seit Ende 2014 fällt sie aufgrund von Erkrankung als arbeitsunfähig aus.

Im Mai 2019 erhält die Klägerin eine Einladung von Arbeitgeberseite zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM).

Zur Durchführung und Teilnahme erklärt sie sich ausdrücklich einverstanden. Die vorgelegte Einwilligung in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten lehnt sie jedoch ab und verweigert dazu die entsprechende Unterschriftsleistung.

Die Beklagte wiederum meint, in der Unterzeichnung eine Voraussetzung für die Durchführung des bEM annehmen zu dürfen. Gleichzeitig kann sie aber die Klägerin nicht überzeugen, noch die Unterschrift zu leisten. Hieran scheitert somit die Durchführung des bEM. Auf zwei Versuche der Wiedereingliederung im September/Oktober 2019 erreichte die Beklagte dann die Zustimmung des Integrationsamtes für den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung und erklärt eine solche auch zum Ende des Jahres 2020. Hiergegen wehrt sich die Klägerin auf gerichtlichem Wege bis zum BAG.

Dieses verweist darauf, dass eine auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützte Kündigung sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sei, wenn keine entsprechend angemessenen und milderen Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gegeben sind.

Für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung trage der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. War er folglich gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zur Durchführung  eines bEM angehalten und hat er eine derartige Verpflichtung nicht erfüllt, sei er auch darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass eine solche keinen Erfolg hätte darin zeigen können, zukünftige Arbeitsunfähigkeiten zu vermeiden und somit die Beschäftigung unverändert fortsetzen zu können.

Das BAG sah dazu keinen ausreichenden Vortrag auf Seiten der Beklagten und wies vielmehr darauf hin, dass die Ablehnung der Klägerin, eine Zustimmung in die Verarbeitung persönlicher Daten zu erklären, keine Rechtfertigung für ein Absehen von der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements darstellt. Insofern sei eine Zustimmung des Arbeitnehmers keine Tatbestandsvoraussetzung gemäß § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX. Eine Hinweispflicht arbeitgeberseits über die Art und den Umfang der im bEM zu verarbeitenden Daten sei vielmehr ausreichend gewesen. Auch sei in der Erklärung keine Ablehnung der Klägerin zur Durchführung der Maßnahme zu sehen. Ebenfalls in der Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung könne keine Vermutung liegen, dass ein bEM keinerlei Sinn gemacht hätte und in diesem Zusammenhang eine Kündigung nicht hätte verhindern können. Der Wortlaut des § 167 Abs. 2 SGB IX enthalte laut BAG keine Anhaltspunkte für eine solche Auslegung. Das bEM und das Zustimmungsverfahren nach §§ 167 ff. SGB IX seien unterschiedliche Verfahrensarten.  Die Ziele, Abläufe und Beteiligten würden nicht übereinstimmen.

Das bEM sei darauf ausgerichtet, eine Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden und entsprechende Lösungen zu ermitteln. Das Integrationsamt wiederum überprüfe hingegen eine bereits schon getroffene Kündigungsentscheidung auf Arbeitgeberseite.

Bei krankheitsbedingten Fehlzeiten von Beschäftigten ist daher immer im Auge zu behalten, dass vor einer Aufkündigung die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht übergangen werden darf.

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